Die Filmstarts-Kritik zu Supernova (2024)

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

Sechs Jahre nach seinem Regiedebüt „Hinterland“ konnteHarry Macqueen für seinen zweiten Langfilm „Supernova“ mit Colin Firth (Oscar für „The King’s Speech“) und Stanley Tucci („Die Tribute von Panem“) zwei der begnadetsten Schauspieler des Planeten als Leinwand-Liebespaar gewinnen. Aber dann der Schreckmoment: Nachdem Macqueen bereits Monate damit verbracht hatte, den Dreh in einem gerade im Spätsommer atemberaubend schönen Nationalpark im Nordwesten Englands vorzubereiten, baten seine Stars plötzlich um ein dringendes Treffen.

Firth und Tucci, die auch privat seit langem eng miteinander befreundet sind, eröffneten ihrem Regisseur, dass sie die Rollen, die ihnen Macqueen quasi auf den Leib geschrieben hatte, gerne tauschen würden. Rückblickend lacht der junge Filmemacher zwar über die Situation, aber damals stand er trotzdem kurz davor, die komplette Produktion abzusagen. Dann besann er sich aber zum Glück eines Besseren, vertraute dem Instinkt seiner erfahrenen Mitstreiter und ließ sie einige der bereits geprobten Szenen noch einmal mit vertauschten Rollen lesen. Im Anschluss war auch er überzeugt – und es konnte endlich damit losgehen, einen der emotionalsten und berührendsten Filme der vergangenen Jahre zu drehen.

Die Filmstarts-Kritik zu Supernova (1)

Seit Jahrzehnten ein Paar: Schriftsteller Tusker (Stanley Tucci) und der Konzertpianist Sam (Colin Firth).

Der Schriftsteller Tusker (Stanley Tucci) und der Konzertpianist Sam (Colin Firth) sind schon seit Ewigkeiten ein Paar. Allerdings wurde bei Tusker vor zwei Jahren eine Demenz diagnostiziert, die seitdem rapide fortschreitet. Noch ist er zwar die meiste Zeit über voll da, aber die Episoden, in denen er die Orientierung verliert und nicht einmal mehr seinen Lebensgefährten erkennt, nehmen zu und werden länger.

Auf Drängen von Tusker startet das Paar eine Reise mit seinem alten Wohnmobil, zurück an den malerischen Ort im Norden des Landes, an dem Sam aufwuchs und an dem sie sich einst kennenlernten. Dort treffen sie Freunde und Verwandte, ein großes Fest wird veranstaltet. Doch später am Abend entdeckt Sam im Wohnwagen etwas, das ihm klar macht dass Tusker diesen Trip offenbar nicht nur aus nostalgischen Gründen geplant hat...

Wortlose Perfektion

„Supernova“, vom zweifach oscarnominierten Chef-KameramannDick Pope („Mr. Turner“) in wunderbar warme, aber niemals kitschige Bilder gefasst, beginnt mit einer Aufnahme des geradezu unendlich erscheinenden Sternenhimmels. Darauf folgt ein Close-Up zweier einander zart berührender Männerhände. Die Szene endet mit einer Totalen von Tusker und Sam, wie sie schlafend und dennoch eng umschlungen in einem Bett liegen. Ihre Körper sind nackt und allenfalls zur Hälfte vom Bettzeug bedeckt. Vögel zwitschern und ein strahlender Morgen erwacht, bevor die Kamera herunterfährt, um uns ein in gemütlichem Tempo eine Landstraße entlangtuckerndes Wohnmobil zu zeigen. Ein stimmungsvolles, friedliches Intro, das komplett ohne Worte auskommt und uns doch alles Nötige über die Beziehung der Protagonisten verrät.

Am Ende wird Regisseur Macqueen noch einmal einen ähnlichen Effekt erzielen, wenn er uns die letzten Minuten seines Films erneut ganz ohne Dialoge präsentiert. Ein Stummfilm ist „Supernova“ deshalb natürlich trotzdem nicht. Zwischen den wortlosen Buchdeckeln begeistern neben Tusker und Sam nämlich auch noch Sams Schwester Lilly (Pippa Haywood aus „Bodyguard“), Tuskers Patenkind Charlotte (Newcomerin Nina Marlin) und der gemeinsame Freund Tim (James Dreyfus aus „Notting Hill“) mit exzellent geschriebenen, oft klugen und manchmal auch warmherzig-witzigen Dialogen.

Die Filmstarts-Kritik zu Supernova (2)

"Supernova" ist nicht nur ein traurig-schöner Film - er spielt auch an atemberaubend-schönen Orten.

Ein schönes Beispiel dafür ist gleich die erste Szene im leicht altersschwachen Wohnmobil: Sam und Tusker sind in einen Streit verwickelt. Allerdings nicht auf bösartige oder gar gewalttätige Art. Vielmehr sticheln sie einander mit perfekt gewählten Worten, wie es ein altes Paar eben tut, das sich offensichtlich tief und innig liebt, aber über die Jahre auch von den vielen, manchmal recht irritierenden kleinen Ticks des anderen zermürbt wurde. Und dennoch braucht es nur den richtigen Song im Autoradio – in diesem Falle Donovans „Catch The Wind“ – damit die zwei wieder (über sich selbst) lachen und ein Herz und eine Seele sein können.

Es sind solche subtilen, authentischen Momente, die den Zuschauer schon früh im Film emotional packen und auf die Seite der Protagonisten ziehen. Denn wir spüren die ehrliche Wärme zwischen den Männern, die Zuneigung, das Vertrauen, das sie einander entgegenbringen, und die Kraft, die ihre Liebe ihnen gibt, um mit der herausfordernden Situation umgehen zu können. Wir verstehen, warum sie sich auf diesen Trip begeben haben. Warum Sam so besorgt um Tusker ist; und warum Tusker wiederum von der Sorge um ihn genervt, andererseits aber auch tief gerührt ist.

Ein grandioses Duo

Trotzdem lässt sich „Supernova“ Zeit, um zu seinem dramatischen Höhepunkt zu kommen. Zunächst gönnt er uns noch ein paar weitere solche großartigen Szenen. So begleitet die Kamera das Duo zurück an das Ufer des Windermere, eines riesigen Sees, an dem sie sich 20 Jahre zuvor zum ersten Mal gegenseitig ihre Liebe gestanden haben. Zudem hält Sam eine von Tusker verfasste Tischrede vor all ihren Freunden, die nicht nur für die Figuren schwer ergreifend ist und den kurz darauf folgenden Konflikt der beiden Helden umso herzzerreißender macht.

„Supernova“ weist in Bezug auf die Handlung ein paar offensichtliche Ähnlichkeiten zu „Das Leuchten der Erinnerung“ mitHelen Mirren undDonald Sutherland auf, ist diesem aber in so ziemlich jeder Hinsicht überlegen. Die Story ist gradliniger und ruhiger erzählt. Ohne künstlich hinzugefügte Nebenschauplätze oder effektvoll aufgebauschtes Brimborium gibt sie den beiden Hauptdarstellern Raum und Zeit zu zeigen, was sie alles draufhaben. Und das ist immens viel. Mit ihrem individuellen Charme, ihrer bezaubernden Paar-Chemie, spürbarem Enthusiasmus sowie nuanciertem, jederzeit glaubhaftem und berührendem Spiel sind sie das Herz des Films. Und der mit Abstand beste Grund, sich „Supernova“, der die Sexualität seiner Protagonisten erfrischend alltäglich hinnimmt, auf der großen Leinwand anzusehen.

Fazit: Wer mal wieder stilvoll heulen möchte, ist bei diesem tief berührenden Film genau richtig. Zumal sich „Supernova“ nie im Melodram suhlt oder in Klischees versinkt, als Ausgleich für all die Tragik aber auch immer wieder warmherzigen Humor und wunderschöne Bilder liefert.

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